08. Mai 2025: 80 Jah­re Ende des Zwei­ten Welt­kriegs in Europa

Bei­trag von Dr. Ana­to­lij Podol­sy vom Ukrai­ni­schen Zen­trum für Holo­caust-Stu­di­en (Kyjiw)

Der fol­gen­de Bei­trag von Dr. Ana­to­lij Podol­sky vom Ukrai­ni­schen Zen­trum für Holo­caust-Stu­di­en (Kyjiw) zum 80. Jah­res­tag des Endes des Zwei­ten Welt­kriegs in Euro­pa rich­tet den Blick auf die his­to­ri­schen Zusam­men­hän­ge sowie die Situa­ti­on der Über­le­ben­den der NS-Ver­fol­gung in der Ukrai­ne im andau­ern­den rus­si­schen Angriffskrieg.

Dr. Ana­to­ly Podol­sky lei­tet das Ukrai­ni­sche Zen­trum für Holo­caust-Stu­di­en und ist ein enger Part­ner des Hilfsnetzwerks.

Dr. Anatoly Podolsky

80. Jah­res­tag des Endes des Zwei­ten Welt­kriegs in Europa

Die Ukrai­ne kämpft gegen die rus­si­sche Aggression

Ein bedeu­ten­des Datum liegt gera­de hin­ter uns: der 11. April – der Inter­na­tio­na­le Tag der Befrei­ung der Häft­lin­ge aus den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern. Ein wei­te­res steht bevor: der 8. Mai – der Tag des Sie­ges über den Natio­nal­so­zia­lis­mus und das Ende des Zwei­ten Welt­kriegs in Europa.

Doch erneut herrscht Krieg auf dem euro­päi­schen Kon­ti­nent. Die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft hat die Leh­ren des ver­gan­ge­nen Krie­ges nicht voll­stän­dig ver­in­ner­licht. Wäh­rend die schreck­li­chen Ver­bre­chen des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regimes ver­ur­teilt wur­den, blieb eine eben­so ent­schlos­se­ne Auf­ar­bei­tung und Ver­ur­tei­lung der Ver­bre­chen des kom­mu­nis­ti­schen Tota­li­ta­ris­mus aus.

Mit­glie­der der “Ukrai­ni­sche Uni­on der Häft­lin­ge — Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus (USVZhN)” beim Geden­ken zum 11. April in Mykolajiw.

Wie­der tobt Krieg in Europa 

Wie­der tobt Krieg in Euro­pa. Die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on begann bereits 2014 einen aggres­si­ven Krieg gegen die Ukrai­ne, indem sie gegen alle Regeln des Völ­ker­rechts ver­stieß und einen Teil der ukrai­ni­schen Ter­ri­to­ri­en besetz­te – die Halb­in­sel Krim sowie Tei­le der Regio­nen Donezk und Luhansk im Osten des Lan­des. Am 24. Febru­ar 2022 begann Russ­land sei­ne groß ange­leg­te Inva­si­on der Ukrai­ne. Seit­dem führt das Land einen umfas­sen­den Angriffs­krieg, bei dem Städ­te und Dör­fer zer­stört und unzäh­li­ge Zivilist:innen getö­tet und Kriegs­ver­bre­chen began­gen wur­den. Ziel die­ser Aggres­si­on ist die sys­te­ma­ti­sche Zer­stö­rung der ukrai­ni­schen Staat­lich­keit, Kul­tur und Iden­ti­tät durch das Regime Putins.

Über­le­ben­de der NS-Ver­bre­chen erneut mit einem Krieg konfrontiert

In die­sem rus­si­schen Krieg gegen die Ukrai­ne lei­den auch die Über­le­ben­den der NS-Ver­bre­chen, die bereits den Zwei­ten Welt­krieg, die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ghet­tos und Lager über­lebt haben. Es sind hoch­be­tag­te Men­schen, man­che über 90, fast 100 Jah­re alt – Men­schen, die wäh­rend der deut­schen Besat­zung der ukrai­ni­schen Gebie­te Kin­der oder jun­ge Erwach­se­ne waren und die Ver­bre­chen des Natio­nal­so­zia­lis­mus mit­er­lebt haben. Doch kei­ner von ihnen hät­te je gedacht, dass sie erneut die Ver­bre­chen eines heu­ti­gen ver­bre­che­ri­schen rus­si­schen Regimes durch­le­ben müss­ten – und man­che von ihnen es nicht über­le­ben wür­den. Dass sie unter rus­si­schen Rake­ten- und Bom­ben­an­grif­fen lei­den und nach der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen nun auch eine rus­si­sche Besat­zung erfah­ren würden.

Es sind ehe­ma­li­ge KZ-Häft­lin­ge, ukrai­ni­sche Juden und Jüdin­nen, die die Ghet­tos über­leb­ten, und Ukrainer:innen – Gerech­te unter den Völ­kern –, die Juden und Jüdin­nen vor dem Holo­caust ret­te­ten. Sie leb­ten in ver­schie­de­nen Städ­ten der Ukrai­ne, die rus­si­schen Rake­ten­an­grif­fen aus­ge­setzt waren, sich an der Front­li­nie befan­den oder unter rus­si­scher Besat­zung stan­den: Kyjiw, Char­kiw, Cher­son, Myko­la­jiw, Mariu­pol, Dni­pro, Kry­wyj Rih, Ode­sa und andere.

So starb der Gerech­te unter den Völ­kern, Olek­san­dr Slo­bod­janyk aus der Regi­on Cher­son, im Alter von 94 Jah­ren als Flücht­ling in Lub­ny (Regi­on Pol­ta­wa). Sein Herz hielt den rus­si­schen Luft­an­grif­fen und der Artil­le­rie nicht mehr stand. Wan­da Objed­ko­wa – eine ukrai­ni­sche Jüdin aus Mariu­pol, die 1941 die Erschie­ßun­gen der Juden ihrer Stadt durch die Nazis über­lebt hat­te – starb in einem Kel­ler eines Hau­ses in Mariu­pol wäh­rend der rus­si­schen Bela­ge­rung der Stadt.

Hil­fe für NS-Über­le­ben­de im Krieg

Dank des Hilfs­netz­werk für Über­le­ben­de der NS-Ver­fol­gung in der Ukrai­ne erhal­ten vie­le Opfer der NS-Ver­bre­chen Hil­fe wäh­rend des rus­si­schen Krie­ges in der Ukrai­ne – wir schät­zen das sehr und wer­den es nie ver­ges­sen. Dar­un­ter die Kyji­we­rin­nen Ana­sta­sia Gulej und Nadi­ja Sle­s­a­re­wa (inzwi­schen ver­stor­ben, gestor­ben im Dezem­ber 2023 in Ber­lin), bei­de ehe­ma­li­ge Häft­lin­ge natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger, denen zu Beginn der groß­an­ge­leg­ten rus­si­schen Inva­si­on 2022 gehol­fen wur­de, nach Deutsch­land zu fliehen.

Ana­sta­sia Gulej sag­te nach Beginn des rus­si­schen Krie­ges gegen die Ukrai­ne, nach der Beset­zung der Krim, von Donezk und Luhansk, in einem Interview:

„Ich habe Hit­lers Deutsch­land über­lebt – und ich wer­de auch Putins Kreml überleben.“

Dr. Ana­to­lij Podol­skyj
Ukrai­ni­sches Zen­trum für Holo­caust-Stu­di­en, Kyjiw

Nach oben scrollen
Consent Management Platform von Real Cookie Banner