Heute jährt sich der vollumfängliche russische Angriff gegen die Ukraine zum dritten Mal. In unserem Newsletter überlassen wir unserer Partnerin Ljuba Danylenko aus Kyjiw das Wort. Sie beschreibt eindrücklich die Auswirkungen des Krieges auf die NS-Überlebenden und die ukrainische Gesellschaft.
“Uns gibt es noch!”
Die NS-Zeit scheint so lange zurückzuliegen und die Gräuel werden überlagert von den gegenwärtigen Ereignissen. Doch die Überlebenden der NS-Verbrechen leben noch: Sie wissen was ein Krieg bedeutet und wie er sich anfühlt. Vater an der Front, Luftalarme, keine Schule, eine Kindheit im Lager, die allerersten Erinnerungen an eine Baracke.
Die NS-Überlebenden sind inzwischen weit über 80 Jahre alt. Sie wollen auch jetzt Überlebende sein – in diesem Krieg, den sie wieder erleben müssen, in dem ihre Häuser zerstört werden, ihre Enkelsöhne sterben, ihr Land in Gefahr ist.

Chronischer Stress und die Auswirkungen des Krieges
Drei Jahre Krieg bedeuten chronischen Stress. Die Belastungen durch Angst, Hilflosigkeit und ständige Bedrohung haben sich tief in das Leben vieler Familien eingegraben und belasten ihre körperliche und seelische Gesundheit.
Viele der hochbetagten NS-Überlebenden können die Wohnung nicht mehr verlassen, so sind sie auf die alltägliche Hilfe von außen angewiesen. Sie freuen sich über Telefonanrufe und wenn jemand zuhört. An die Gefahren eines Einschlags denken sie kaum noch.
Gegenseitige Unterstützung trotz Herausforderungen
„Kryvyi Rih steht unter täglichem Beschuss. Das wird längst nicht mehr jedes Mal in den Nachrichten gemeldet“, erzählt Ljuba Slesarenko. Mit ihren 80 Jahren leitet sie den NS-Opferverband in Kryvyi Rih. Sie kennt alle 137 NS-Überlebenden persönlich und weiß, wo Hilfe gebraucht wird oder wiederholt kaputte Fenster ausgetauscht werden müssen. Die Menschen halten zusammen.
So wie Tetjana R. und ihre Nachbarin. Tetjana ist 99 Jahre alt, als Jugendliche wurde sie zur Zwangsarbeit verschleppt. Drei Jahre lang musste sie auf einem landwirtschaftlichen Hof in Bregenstedt (Sachsen-Anhalt) arbeiten. Ihre Nachbarin Valentina sagt: „Tjotja („Tante“) Tanja hat früher auf meine Kinder aufgepasst, wenn ich weg musste. Jetzt ist es Zeit, sich um sie zu kümmern – sie hat sonst niemanden.“

© Dnipropetrovsk Regional State Administration, CC BY 4.0.
Eine kleine Erleichterung im schweren Alltag
Die russische Invasion der Ukraine hat viele NS-Überlebende zu Binnenvertriebenen gemacht. So auch Alla G. Sie war eines von vier Geschwistern, die 1942 mit ihren Eltern zur Zwangsarbeit nach Minden verschleppt wurden. Nun musste die 84-jährige Frau ihre Heimatstadt Cherson verlassen und nach Kyjiw ziehen. Es war nur möglich, weil ihre Tochter sie aufgenommen hat. Durch die Unterstützung des Hilfsnetzwerks wird der schwere Alltag ein wenig erleichtert.
Sie sind noch da. Sie leiden. Sie kämpfen. Sie beten für die ukrainischen Soldat:innen. Sie danken für Ihre Hilfe. Sie wollen noch den Frieden erleben.
Ljuba Danylenko, Kyjiw, Februar 2025
Jede Spende zählt: Ihre Unterstützung hilft uns, diese wichtige Arbeit fortzusetzen und NS-Überlebenden in der Ukraine weiterhin zu helfen.