24.02.25 — 3 Jah­re Angriffs­krieg: “Uns gibt es noch!”

Heu­te jährt sich der voll­um­fäng­li­che rus­si­sche Angriff gegen die Ukrai­ne zum drit­ten Mal. In unse­rem News­let­ter über­las­sen wir unse­rer Part­ne­rin Lju­ba Dany­len­ko aus Kyjiw das Wort. Sie beschreibt ein­drück­lich die Aus­wir­kun­gen des Krie­ges auf die NS-Über­le­ben­den und die ukrai­ni­sche Gesellschaft.

“Uns gibt es noch!”

Die NS-Zeit scheint so lan­ge zurück­zu­lie­gen und die Gräu­el wer­den über­la­gert von den gegen­wär­ti­gen Ereig­nis­sen. Doch die Über­le­ben­den der NS-Ver­bre­chen leben noch: Sie wis­sen was ein Krieg bedeu­tet und wie er sich anfühlt. Vater an der Front, Luft­alar­me, kei­ne Schu­le, eine Kind­heit im Lager, die aller­ers­ten Erin­ne­run­gen an eine Baracke.

Die NS-Über­le­ben­den sind inzwi­schen weit über 80 Jah­re alt. Sie wol­len auch jetzt Über­le­ben­de sein – in die­sem Krieg, den sie wie­der erle­ben müs­sen, in dem ihre Häu­ser zer­stört wer­den, ihre Enkel­söh­ne ster­ben, ihr Land in Gefahr ist.

NS-Überlebende Raisa Tupytsija mit Gehilfen in ihrem Hof.
Über­le­ben­de der NS-Ver­fol­gung in der Ukrai­ne: “Uns gibt es noch!”

Chro­ni­scher Stress und die Aus­wir­kun­gen des Krieges

Drei Jah­re Krieg bedeu­ten chro­ni­schen Stress. Die Belas­tun­gen durch Angst, Hilf­lo­sig­keit und stän­di­ge Bedro­hung haben sich tief in das Leben vie­ler Fami­li­en ein­ge­gra­ben und belas­ten ihre kör­per­li­che und see­li­sche Gesundheit.

Vie­le der hoch­be­tag­ten NS-Über­le­ben­den kön­nen die Woh­nung nicht mehr ver­las­sen, so sind sie auf die all­täg­li­che Hil­fe von außen ange­wie­sen. Sie freu­en sich über Tele­fon­an­ru­fe und wenn jemand zuhört. An die Gefah­ren eines Ein­schlags den­ken sie kaum noch.

Gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung trotz Herausforderungen

„Kry­vyi Rih steht unter täg­li­chem Beschuss. Das wird längst nicht mehr jedes Mal in den Nach­rich­ten gemel­det“, erzählt Lju­ba Sle­s­a­ren­ko. Mit ihren 80 Jah­ren lei­tet sie den NS-Opfer­ver­band in Kry­vyi Rih. Sie kennt alle 137 NS-Über­le­ben­den per­sön­lich und weiß, wo Hil­fe gebraucht wird oder wie­der­holt kaput­te Fens­ter aus­ge­tauscht wer­den müs­sen. Die Men­schen hal­ten zusammen.

So wie Tet­ja­na R. und ihre Nach­ba­rin. Tet­ja­na ist 99 Jah­re alt, als Jugend­li­che wur­de sie zur Zwangs­ar­beit ver­schleppt. Drei Jah­re lang muss­te sie auf einem land­wirt­schaft­li­chen Hof in Bre­gen­stedt (Sach­sen-Anhalt) arbei­ten. Ihre Nach­ba­rin Valen­ti­na sagt: „Tjot­ja („Tan­te“) Tan­ja hat frü­her auf mei­ne Kin­der auf­ge­passt, wenn ich weg muss­te. Jetzt ist es Zeit, sich um sie zu küm­mern – sie hat sonst niemanden.“

Zerstörtes Haus in Kryvyi Rih nach einem russischen Raketenangriff am 17. Januar 2025.
Zer­stö­run­gen in Kry­vyi Rih nach einem rus­si­schen Rake­ten­an­griff am 17. Janu­ar 2025.
© Dni­pro­pe­trovsk Regio­nal Sta­te Admi­nis­tra­ti­on, CC BY 4.0.

Eine klei­ne Erleich­te­rung im schwe­ren Alltag

Die rus­si­sche Inva­si­on der Ukrai­ne hat vie­le NS-Über­le­ben­de zu Bin­nen­ver­trie­be­nen gemacht. So auch Alla G. Sie war eines von vier Geschwis­tern, die 1942 mit ihren Eltern zur Zwangs­ar­beit nach Min­den ver­schleppt wur­den. Nun muss­te die 84-jäh­ri­ge Frau ihre Hei­mat­stadt Cher­son ver­las­sen und nach Kyjiw zie­hen. Es war nur mög­lich, weil ihre Toch­ter sie auf­ge­nom­men hat. Durch die Unter­stüt­zung des Hilfs­netz­werks wird der schwe­re All­tag ein wenig erleichtert.

Sie sind noch da. Sie lei­den. Sie kämp­fen. Sie beten für die ukrai­ni­schen Soldat:innen. Sie dan­ken für Ihre Hil­fe. Sie wol­len noch den Frie­den erle­ben.

Lju­ba Dany­len­ko, Kyjiw, Febru­ar 2025

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