Presseerklärung vom 6. Mai 2022
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Breites Bündnis aus Erinnerungseinrichtungen unterstützt mit über 62.000 Euro Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine und ruft zu weiteren Spenden auf
77 Jahre Kriegsende – 8. Mai
06.05.2022. Im „Hilfsnetzwerk für die Überlebenden der NS-Verfolgung in der Ukraine“ haben sich mittlerweile 47 Gedenkstätten, Museen, Vereine und Initiativen zusammengeschlossen. Dieses noch nie dagewesene Bündnis konnte in den letzten drei Monaten über 300 Menschen auf unterschiedliche Weise helfen. Dafür wurden bislang 62.000 Euro Spendengelder eingesetzt. Zu den Hilfeempfängern gehören auch ehemalige sowjetische Kriegsgefangene.
Die Rote Armee trug maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Wehrmacht am 8. Mai 1945 kapitulierte und der Zweite Weltkrieg in Europa endete. Über 5 Millionen Soldat*innen der sowjetischen Armee gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft und über die Hälfte von ihnen starb in Folge von Gewalt, Mangelernährung und fehlender medizinischer Versorgung in den deutschen Kriegsgefangenenlagern oder wurde durch Erschießungen unmittelbar nach Gefangennahme oder in Konzentrationslagern ermordet. Die Soldat*innen der Roten Armee stammten aus allen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion wie etwa auch der Ukraine. Die hochbetagten Überlebenden sind heute allesamt über 90 Jahre alt und in vielen Fällen bettlägerig oder auf besondere pflegerische Unterstützung angewiesen.
Hilfsnetzwerk engagiert sich für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine
Den Überlebenden, die durch den aktuellen Krieg in der Ukraine erneut bedroht sind, gilt unsere besondere Aufmerksamkeit. Das Hilfsnetzwerk sucht daher derzeit den direkten Kontakt zu den Überlebenden in der Ukraine in Form von Telefonanrufen aus Deutschland. So konnte beispielsweise mit einem ehemaligen Kriegsgefangenen und seiner über 70-jährigen Tochter gesprochen werden, die in einem Dorf im besetzten Gebiet Cherson leben. Für sie bedeutete der Anruf ein Funken Hoffnung, denn ihre Lebensmittelvorräte und Hygieneartikel sowie Medikamente waren größtenteils aufgebraucht. Dieser akuten Versorgungsnotlage wird durch Hilfspakete aus Kyiv begegnet, realisiert über Spenden durch das Hilfsnetzwerk und Partner*innen vor Ort. Svetlana Nejelscaia (stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Vereins KONTAKTE-KOHTAKTbI) führt für das Hilfsnetzwerk unter anderem diese Telefonate und betont: „Die Hilfe wird jetzt so dringend benötigt wie nie. Wir brauchen weiterhin ein großes bürgerschaftliches Engagement und sind auf Spenden angewiesen, um die Unterstützung vor Ort auch über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten zu können.“
In Hinblick auf den 77. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom NS-Regime am 8. Mai 1945 wiederholen viele der Überlebenden ihre mahnenden Worte gegen Krieg mit besonderer Eindringlichkeit. Der ehemalige sowjetische Kriegsgefangene Lev Frankfurt brachte dies bereits vor einigen Jahren bei einer Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne auf den Punkt: „Der Friede ist kostbar. Das Leben ist kostbar. Die Freiheit ist kostbar. Sie sind die Basis unserer Würde als Menschen. Gerade in schwierigen Zeiten gilt es, diese Einsicht zu schützen und zu bewahren.“
Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine
Am 9. März 2022 hat sich das „Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine“ auf Initiative des Berliner Vereins KONTAKTE-KOHTAKTbI gegründet. Das Hilfsnetzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine, ihre Familien sowie durch den Krieg betroffene Kolleg*innen aus der Ukraine mit Hilfe von Spenden unbürokratisch und effektiv zu unterstützen. Die Koordination des Netzwerkes wird freundlich unterstützt von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).
Ihr Kontakt für Presseanfragen:
Ragna Vogel — vogel@kontakte-kontakty.de – Tel. 01520 4756887
Spendenkonto bei der Berliner Volksbank:
Empfänger: Kontakte-Kontakty
IBAN: DE59 1009 0000 2888 9620 02
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Presseerklärung vom 7. April 2022
Presseanfragen und Fotografien: vogel@kontakte-kontakty.de
Das am 9. März 2022 gegründete und mittlerweile aus 46 Gedenkstätten, Museen und Initiativen bestehende „Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine“ konnte dank der großen Hilfsbereitschaft unmittelbar nach dem Spendenaufruf mit ersten Auszahlungen beginnen. Innerhalb des ersten Monats unseres Bestehens haben wir bereits rund 30.000 Euro an Überlebende der NS-Verfolgung, ihre Angehörigen sowie durch den Krieg betroffene Kolleg:innen aus der Ukraine weiterleiten können.
Evakuierung nach Deutschland
Die erste finanzielle Soforthilfe ging an die 1943 geborene Raisa Nabaranchuk. Mitglieder ihrer Familie gehörten zu den Opfern und Überlebenden von Massenerschießungen in der Nähe von Kiew. Am 29./30. September 1941 ermordeten die deutschen Täter und ihre Kollaborateure fast 34.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer in der Schlucht von Babij Jar. Auch Rom:nja wurden an diesem Ort erschossen. Die ukrainische Dichterin konnte mit Hilfe einer Vielzahl von Organisationen nach Deutschland evakuiert und in Sicherheit gebracht werden. Der im Hilfsnetzwerk vertretene Zentralrat Deutscher Sinti und Roma setzte sich dafür ein, dass sie vom Hilfsnetzwerk eine erste unmittelbare Unterstützung erhielt, da sie mit ihrer Familie völlig mittellos in Freiburg ankam.
Vielen Überlebenden ist es besonders wichtig, dass darüber hinaus ihren Angehörigen geholfen wird. Zu den Nachfahren pflegen viele der im Netzwerk vertretenen Gedenkstätten, Museen und Initiativen engen Kontakt, da auch sie sich zum Teil über mehrere Jahre hinweg für eine aktive Erinnerungskultur an die Nazi-Verbrechen in Europa eingesetzt haben. So unterstützte das Hilfsnetzwerk beispielsweise den Neffen von zwei Opfern des KZ Neuengamme, Ivan Titow und Nikolai Titow. Seine Tochter Irina befand sich bereits in Polen — wir organisierten dann die Evakuierung der Familie aus der Ukraine und aus Polen nach Hamburg. Neben Hilfe bei der Flucht unterstützen wir Überlebende und ihre Angehörigen auch bei der Suche nach einer Unterkunft in Deutschland. Die Tochter von Viktor Karpus, Überlebender des KZ Buchenwald, schrieb uns nach einer Auszahlung von Soforthilfe an ihre Familie: „Es ist sehr berührend, dass Sie sich in einer schwierigen Zeit für unser Land und uns an uns erinnern, uns unterstützen, sich Sorgen machen! Vielen Dank für die finanzielle Unterstützung! Leider kann das Unternehmen, wo ich arbeite, jetzt nicht mehr sein Geschäft führen und uns ein Gehalt zahlen. Und diese Hilfe ist wie ein Wunder!! Ich bin sehr froh, dass mein Vater mich mit nach Weimar genommen hat und ich da wunderbare Menschen kennengelernt habe! Vielen Dank!“
Hilfe in der Ukraine
Uns ist es wichtig, auch jene Betroffene zu erreichen, die nicht mehr fliehen können oder wollen. Vielen hochbetagten Überlebenden dienen die finanziellen Unterstützungen dazu, Medikamente und Nahrungsmittel zu besorgen, was in der angespannten Kriegswirtschaft teilweise sehr schwierig ist. Über das Projekt „Netzwerk Erinnerung“ der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas erreichten wir insgesamt 49 Überlebende der Jüdischen Gemeinden in Berdichiv und Bratzlaw mit einer Direktspende.
Darüber hinaus steht das Netzwerk in engem Kontakt zu anderen Einzelpersonen und Einrichtungen, die ähnliche Hilfe leisten. Dazu gehört beispielsweise die Jewish Claims Conference, die zusammen mit jüdischen Hilfsorganisationen bereits über 50 Holocaust-Überlebende mit Rettungswagen in jüdische Alters- und Pflegeheime nach Deutschland bringen konnte. Unser Ziel ist es, diese Strukturen zu nutzen, um über das Hilfsnetzwerk auch nichtjüdische Überlebende der NS-Verfolgung nach Deutschland zu transportieren. Auch die ukrainischen Historikerinnen Tetiana Pastushenko und Ljuba Danylenko setzen sich unermüdlich vor Ort von Ushgorod aus für die Soforthilfe von Überlebenden der NS-Verfolgung im ganzen Gebiet der Ukraine ein. Wir konnten ihnen bei der Auszahlung von finanziellen Unterstützungsleistungen aber auch beim Erwerb von Medikamenten oder Hygieneartikeln behilflich sein.
Anatoly Podolsky, Direktor des Ukrainischen Zentrums für Holocaust Studien, bedankte sich mit den Worten: „Ihre Hilfe für die verschiedenen Gruppen von Überlebenden und ehemaligen Opfern der Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs trägt dazu bei, das Leid dieser Menschen zu lindern und sie mit den grundlegenden Mitteln auszustatten, um einen weiteren schrecklichen Krieg in Europa zu überleben.“
Unterstützung für Kolleg:innen
Schließlich setzt sich das Hilfsnetzwerk auch für Kolleg:innen in der Ukraine ein, die durch den Krieg stark betroffen sind. Das Ukrainische Zentrum für Holocaust Studien unterstützt das Hilfsnetzwerk bei der Ermittlung von bedürftigen Kolleg:innen. Viele von ihnen, versuchen sich seit Wochen in ihren Kellern zu schützen oder sind aus ihren zerbombten Wohnungen geflüchtet. Das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit hat u.a. Kontakte zur Staatlichen Universität und zur Stadtbibliothek Mariupol. Zehn Kolleg:innen konnten der belagerten und zerstörten Stadt entkommen und befinden sich zur Zeit in Dnipro oder Zaporizhzha. Sie erhielten finanzielle Unterstützung für sich und ihre Familien, um sich mit dem Notwendigsten versorgen zu können.
Das „Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine“ möchte vor allem jene Personen erreichen, die noch nicht in organisierte Hilfsstrukturen eingebunden sind und leistet auch weitere Vernetzungsarbeit. Eine Hilfsanfrage des Holocaust-Museums Odessa zur Unterstützung von 234 Überlebenden von Konzentrationslagern und Ghettos überstieg die finanziellen Möglichkeiten des Hilfsnetzwerks. Diese wurde daher an die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft weitergeleitet. Die Stiftung ist ebenfalls im Hilfsnetzwerk vertreten und unterstützt die Koordination des Hilfsnetzwerkes mit einer Projektförderung beim Berliner Verein KONTAKTE-KOHTAKTbI.
Dr. Christine Glauning, Leiterin des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide, betont: „Ukrainische Überlebende der NS-Verfolgung müssen zum zweiten Mal in ihrem Leben einen furchtbaren Angriffskrieg erleben. Die Berichte über ihre aktuelle Situation infolge des russischen Überfalls sind erschütternd. Viele sind krank und oft zu schwach, um in die Bunker zu gehen. Wir bitten die deutsche Öffentlichkeit eindringlich um Spenden für die letzten Überlebenden der NS-Diktatur und ihre Angehörigen. Auch die vielen ukrainischen Kolleg:innen, mit denen wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten, sind schwer vom Krieg betroffen. Sie brauchen ebenfalls dringend unsere Unterstützung.“
Spendenkonto bei der Berliner Volksbank:
Empfänger: Kontakte-Kontakty
IBAN: DE59 1009 0000 2888 9620 02
BIC: BEVODEBB
Presseerklärung vom 17. März 2022
Neu gegründetes Hilfsnetzwerk will Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine unterstützen
Deshalb haben sich auf Initiative des Vereins KONTAKTE-KOHTAKTbI rund 30 Gedenkstätten, Museen sowie verschiedene Initiativen und Vereine aus der ganzen Bundesrepublik dazu entschlossen ein Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine aufzubauen, um schnell und unbürokratisch den hochbetagten Opfern der NS-Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik und ihren Familien zu helfen. Zu vielen haben die im Netzwerk vertretenen Einrichtungen seit einigen Jahren und Jahrzehnten Kontakt. Zudem brauchen unsere langjährigen Partnerorganisationen nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland und Belarus Unterstützung: Für ihr Personal, aber auch bei der Sicherung ihrer Arbeitsergebnisse, Archivalien und Daten.
Für diesen Zweck wurde ein Spendenkonto eingerichtet, welches von dem Berliner Verein KONTAKTE-KOHTAKTbI, der seit vielen Jahren Erfahrungen mit Spendenauszahlungen in dieser Region hat, treuhänderisch verwaltet wird.
Die Koordination des Netzwerkes wird freundlich unterstützt von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).
Eine Internetseite, auf der fortlaufenden über den aktuellen Stand unserer Aktionen unterrichtet wird, finden Sie hier: www.hilfsnetzwerk-nsverfolgte.de
#ÜberlebendeNSVerfolgungUkraine
Bei Fragen zu unseren konkreten Hilfsaktionen und bei Interesse, unseren Spendenaufruf zu teilen, wenden Sie sich bitte an:
Ragna Vogel
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