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Pres­se­mit­tei­lung 07.04.2022

Pres­se­an­fra­gen und Foto­gra­fien: vogel@kontakte-kontakty.de

Das am 9. März 2022 gegrün­de­te und mitt­ler­wei­le aus 46 Gedenk­stät­ten, Muse­en und Initia­ti­ven bestehen­de „Hilfs­netz­werk für Über­le­ben­de der NS-Ver­fol­gung in der Ukrai­ne“ konn­te dank der gro­ßen Hilfs­be­reit­schaft unmit­tel­bar nach dem Spen­den­auf­ruf mit ers­ten Aus­zah­lun­gen begin­nen. Inner­halb des ers­ten Monats unse­res Bestehens haben wir bereits rund 30.000 Euro an Über­le­ben­de der NS-Ver­fol­gung, ihre Ange­hö­ri­gen sowie durch den Krieg betrof­fe­ne Kolleg:innen aus der Ukrai­ne wei­ter­lei­ten können.

Eva­ku­ie­rung nach Deutschland

Die ers­te finan­zi­el­le Sofort­hil­fe ging an die 1943 gebo­re­ne Raisa Nab­a­ran­chuk. Mit­glie­der ihrer Fami­lie gehör­ten zu den Opfern und Über­le­ben­den von Mas­sen­er­schie­ßun­gen in der Nähe von Kiew. Am 29./30. Sep­tem­ber 1941 ermor­de­ten die deut­schen Täter und ihre Kol­la­bo­ra­teu­re fast 34.000 jüdi­sche Kin­der, Frau­en und Män­ner in der Schlucht von Babij Jar. Auch Rom:nja wur­den an die­sem Ort erschos­sen. Die ukrai­ni­sche Dich­te­rin konn­te mit Hil­fe einer Viel­zahl von Orga­ni­sa­tio­nen nach Deutsch­land eva­ku­iert und in Sicher­heit gebracht wer­den. Der im Hilfs­netz­werk ver­tre­te­ne Zen­tral­rat Deut­scher Sin­ti und Roma setz­te sich dafür ein, dass sie vom Hilfs­netz­werk eine ers­te unmit­tel­ba­re Unter­stüt­zung erhielt, da sie mit ihrer Fami­lie völ­lig mit­tel­los in Frei­burg ankam.

Vie­len Über­le­ben­den ist es beson­ders wich­tig, dass dar­über hin­aus ihren Ange­hö­ri­gen gehol­fen wird. Zu den Nach­fah­ren pfle­gen vie­le der im Netz­werk ver­tre­te­nen Gedenk­stät­ten, Muse­en und Initia­ti­ven engen Kon­takt, da auch sie sich zum Teil über meh­re­re Jah­re hin­weg für eine akti­ve Erin­ne­rungs­kul­tur an die Nazi-Ver­bre­chen in Euro­pa ein­ge­setzt haben. So unter­stütz­te das Hilfs­netz­werk bei­spiels­wei­se den Nef­fen von zwei Opfern des KZ Neu­en­gam­me, Ivan Titow und Niko­lai Titow. Sei­ne Toch­ter Iri­na befand sich bereits in Polen  — wir orga­ni­sier­ten dann die Eva­ku­ie­rung der Fami­lie aus der Ukrai­ne und aus Polen nach Ham­burg. Neben Hil­fe bei der Flucht unter­stüt­zen wir Über­le­ben­de und ihre Ange­hö­ri­gen auch bei der Suche nach einer Unter­kunft in Deutsch­land. Die Toch­ter von Vik­tor Kar­pus, Über­le­ben­der des KZ Buchen­wald, schrieb uns nach einer Aus­zah­lung von Sofort­hil­fe an ihre Fami­lie: „Es ist sehr berüh­rend, dass Sie sich in einer schwie­ri­gen Zeit für unser Land und uns an uns erin­nern, uns unter­stüt­zen, sich Sor­gen machen! Vie­len Dank für die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung! Lei­der kann das Unter­neh­men, wo ich arbei­te, jetzt nicht mehr sein Geschäft füh­ren und uns ein Gehalt zah­len. Und die­se Hil­fe ist wie ein Wun­der!! Ich bin sehr froh, dass mein Vater mich mit nach Wei­mar genom­men hat und ich da wun­der­ba­re Men­schen ken­nen­ge­lernt habe! Vie­len Dank!“

Hil­fe in der Ukraine

Uns ist es wich­tig, auch jene Betrof­fe­ne zu errei­chen, die nicht mehr flie­hen kön­nen oder wol­len. Vie­len hoch­be­tag­ten Über­le­ben­den die­nen die finan­zi­el­len Unter­stüt­zun­gen dazu, Medi­ka­men­te und Nah­rungs­mit­tel zu besor­gen, was in der ange­spann­ten Kriegs­wirt­schaft teil­wei­se sehr schwie­rig ist. Über das Pro­jekt „Netz­werk Erin­ne­rung“ der Stif­tung Denk­mal für die ermor­de­ten Juden Euro­pas erreich­ten wir ins­ge­samt 49 Über­le­ben­de der Jüdi­schen Gemein­den in Ber­di­chiv und Bratz­law mit einer Direktspende.

Dar­über hin­aus steht das Netz­werk in engem Kon­takt zu ande­ren Ein­zel­per­so­nen und Ein­rich­tun­gen, die ähn­li­che Hil­fe leis­ten. Dazu gehört bei­spiels­wei­se die Jewish Claims Con­fe­rence, die zusam­men mit jüdi­schen Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen bereits über 50 Holo­caust-Über­le­ben­de mit Ret­tungs­wa­gen in jüdi­sche Alters- und Pfle­ge­hei­me nach Deutsch­land brin­gen konn­te. Unser Ziel ist es, die­se Struk­tu­ren zu nut­zen, um über das Hilfs­netz­werk auch nicht­jü­di­sche Über­le­ben­de der NS-Ver­fol­gung nach Deutsch­land zu trans­por­tie­ren. Auch die ukrai­ni­schen His­to­ri­ke­rin­nen Tetia­na Pas­tus­hen­ko und Lju­ba Dany­len­ko set­zen sich uner­müd­lich vor Ort von Ush­go­rod aus für die Sofort­hil­fe von Über­le­ben­den der NS-Ver­fol­gung im gan­zen Gebiet der Ukrai­ne ein. Wir konn­ten ihnen bei der Aus­zah­lung von finan­zi­el­len Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen aber auch beim Erwerb von Medi­ka­men­ten oder Hygie­ne­ar­ti­keln behilf­lich sein.

Ana­to­ly Podol­sky, Direk­tor des Ukrai­ni­schen Zen­trums für Holo­caust Stu­di­en, bedank­te sich mit den Wor­ten: „Ihre Hil­fe für die ver­schie­de­nen Grup­pen von Über­le­ben­den und ehe­ma­li­gen Opfern der Gräu­el­ta­ten des Zwei­ten Welt­kriegs trägt dazu bei, das Leid die­ser Men­schen zu lin­dern und sie mit den grund­le­gen­den Mit­teln aus­zu­stat­ten, um einen wei­te­ren schreck­li­chen Krieg in Euro­pa zu überleben.“

Unter­stüt­zung für Kolleg:innen

Schließ­lich setzt sich das Hilfs­netz­werk auch für Kolleg:innen in der Ukrai­ne ein, die durch den Krieg stark betrof­fen sind. Das Ukrai­ni­sche Zen­trum für Holo­caust Stu­di­en unter­stützt das Hilfs­netz­werk bei der Ermitt­lung von bedürf­ti­gen Kolleg:innen. Vie­le von ihnen, ver­su­chen sich seit Wochen in ihren Kel­lern zu schüt­zen oder sind aus ihren zer­bomb­ten Woh­nun­gen geflüch­tet. Das Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum NS-Zwangs­ar­beit hat u.a. Kon­tak­te zur Staat­li­chen Uni­ver­si­tät und zur Stadt­bi­blio­thek Mariu­pol. Zehn Kolleg:innen konn­ten der bela­ger­ten und zer­stör­ten Stadt ent­kom­men und befin­den sich zur Zeit in Dni­pro oder Zapo­rizhz­ha. Sie erhiel­ten finan­zi­el­le Unter­stüt­zung für sich und ihre Fami­li­en, um sich mit dem Not­wen­digs­ten ver­sor­gen zu können.

Das „Hilfs­netz­werk für Über­le­ben­de der NS-Ver­fol­gung in der Ukrai­ne“ möch­te vor allem jene Per­so­nen errei­chen, die noch nicht in orga­ni­sier­te Hilfs­struk­tu­ren ein­ge­bun­den sind und leis­tet auch wei­te­re Ver­net­zungs­ar­beit. Eine Hilfs­an­fra­ge des Holo­caust-Muse­ums Odes­sa zur Unter­stüt­zung von 234 Über­le­ben­den von Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern und Ghet­tos über­stieg die finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten des Hilfs­netz­werks. Die­se wur­de daher an die Stif­tung Erin­ne­rung, Ver­ant­wor­tung und Zukunft wei­ter­ge­lei­tet. Die Stif­tung ist eben­falls im Hilfs­netz­werk ver­tre­ten und unter­stützt die Koor­di­na­ti­on des Hilfs­netz­wer­kes mit einer Pro­jekt­för­de­rung beim Ber­li­ner Ver­ein KONTAKTE-KOHTAKTbI.

Dr. Chris­ti­ne Glau­ning, Lei­te­rin des Doku­men­ta­ti­ons­zen­trums NS-Zwangs­ar­beit in Ber­lin-Schö­ne­wei­de, betont: „Ukrai­ni­sche Über­le­ben­de der NS-Ver­fol­gung müs­sen zum zwei­ten Mal in ihrem Leben einen furcht­ba­ren Angriffs­krieg erle­ben. Die Berich­te über ihre aktu­el­le Situa­ti­on infol­ge des rus­si­schen Über­falls sind erschüt­ternd. Vie­le sind krank und oft zu schwach, um in die Bun­ker zu gehen. Wir bit­ten die deut­sche Öffent­lich­keit ein­dring­lich um Spenden für die letz­ten Über­le­ben­den der NS-Dik­ta­tur und ihre Ange­hö­ri­gen. Auch die vie­len ukrai­ni­schen Kolleg:innen, mit denen wir seit vie­len Jah­ren zusam­men­ar­bei­ten, sind schwer vom Krieg betrof­fen. Sie brau­chen eben­falls drin­gend unse­re Unterstützung.“

Spen­den­kon­to bei der Ber­li­ner Volksbank:

Emp­fän­ger: Kon­tak­te-Kon­tak­ty
IBAN: DE59 1009 0000 2888 9620 02
BIC: BEVODEBB

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